Kameraauswahl – Wie finde ich die richtige Kamera für mein Bildverarbeitungssystem?
Verloren im Dschungel der Optionen?
Stehen Sie vor der Aufgabe, ein Bildverarbeitungssystem zu konzipieren, finden Sie sich möglicherweise umgeben von einer verwirrenden Vielfalt von Optionen, inmitten einer schier undurchschaubaren Palette von Kameramodellen, relevanten Eigenschaften, hilfreichen Features und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.
Was Sie jetzt brauchen, ist ein erfahrener Guide. Jemand, der Ihnen einen Pfad durch das Dickicht bahnt und Sie zielsicher zur Lichtung am Ende Ihres Entscheidungsweges zur passenden Kamera für Ihre Anwendung führt.
Begleiten Sie uns Schritt für Schritt durch alle relevanten Kriterien. Wir helfen Ihnen die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit Sie genau die Kameraausstattung finden, die am besten zu den Anforderungen Ihres Systems passt.
Starten Sie mit einer fundierten Analyse. Stellen Sie sich zwei Fragen:
Was möchte ich mit der Kamera sehen?
Welche Eigenschaften muss meine Kamera besitzen, um mir genau das zu liefern?
Die Antworten darauf geben meist schon eine von zwei Richtungen vor:
Entscheidung Nr. 1: Netzwerk- oder Industriekamera?
Kameras für Bildverarbeitungssysteme sind entweder Industriekameras, auch Machine Vision Kameras genannt, oder Netzwerk- bzw. IP (Internet Protocol) Kameras.
Netzwerkkameras zeichnen Videos auf. Sie kommen häufig in klassischen Überwachungsanwendungen zum Einsatz, oft in Kombination mit Industriekameras. Einige ihrer typischen Eigenschaften:
Häufig umgeben von einem robusten Gehäuse zum Schutz vor Erschütterungen und Wettereinflüssen, und damit gleichermaßen geeignet für Innen- und Außenbereiche.
Eine Vielfalt an Funktionen, wie z.B. Tag/Nacht-Modus oder spezielle Infrarot-Filter, die dafür sorgen, dass die Kameras selbst unter schwierigen Licht- und Wetterbedingungen ausgezeichnete Bildqualität liefern.
Sie komprimieren die Aufnahmen. Dies reduziert die Datenmengen soweit, dass sie in der Kamera gespeichert werden können. Indem man sie an ein Netzwerk anschließt, kann theoretisch eine unbegrenzte Zahl von Nutzern auf die Daten zugreifen.
Industriekameras hingegen
schicken die Aufnahmen als unkomprimierte Rohdaten direkt an einen PC, der dieses relative hohe Datenvolumen verarbeitet. Der Vorteil: keinerlei Bildinformation geht verloren.
Industriekameras umfassen zwei Technologien: Flächen- und Zeilenkameras. Sie unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie Bilder aufnehmen. Das wiederum ist relevant für die BV-Anwendung.
Exkurs: Wie Flächen- und Zeilenkameras Bilder machen

Flächenkameras
sind mit einem rechteckigen Sensor ausgestattet, bestehend aus zahlreichen Zeilen von Pixeln, die alle zur exakt gleichen Zeit belichtet werden. Alle Bilddaten werden also gleichzeitig aufgenommen, und ebenso gleichzeitig weiter verarbeitet.
kommen typischerweise in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen, in Medizin und Biowissenschaften, im Verkehrs- und Transportwesen, oder in Sicherheits- und Überwachungsanwendungen zum Einsatz, oft als Ergänzung zu Netzwerkkameras.

Zeilenkameras
hingegen arbeiten mit einem Sensor, der aus nur 1, 2 oder 3 Pixelzeilen aufgebaut ist. Die Bilddaten werden Zeile für Zeile belichtet, und ebenso Zeile für Zeile wieder zu einem Bild zusammengesetzt und verarbeitet. Ob man eine Flächen- oder eine Zeilenkamera verwendet, hängt von der Art der Anwendung und deren Anforderungen ab.
werden eingesetzt, wenn Produkte und Güter geprüft werden, die auf Förderbändern transportiert werden, und das mit teils sehr hoher Geschwindigkeit. Typische Branchen umfassen Druck, Sortierung und Verpackung, Lebensmittelindustrie sowie alle Arten von Oberflächeninspektion.

Netzwerkkameras
verwendet man häufig für Überwachungsaufgaben, von der Prozesssteuerung in Versandstraßen oder Packsystemen bis zur Gebäude- oder Verkehrsüberwachung.
werden zum Beispiel in Banken, Kasinos, Firmengeländen und öffentlichen Gebäuden, oder in Logistikzentren wie Häfen oder Frachtzentren verwendet.
Entscheidung Nr. 2: Monochrom- oder Farbkamera?
Eine relative einfache Entscheidung, die sich daraus ableitet, was Sie mit Ihrer Anwendung sehen möchten. Brauchen Sie für die Auswertung der Ergebnisse ein Farbbild oder reicht auch Schwarz/Weiß? Ist Farbe nicht unbedingt nötig, empfiehlt sich eine Monochrom-(sprich S/W)-Kamera. Sie ist empfindlicher und liefert dadurch detailreichere Aufnahmen. Für manche Anwendungen kann auch eine Kombination von S/W- und Farbkameras sinnvoll sein: Viele Verkehrsanwendungen beispielsweise kombinieren beide Kameratypen, um die juristische Belastbarkeit der Aufnahmen zur Beweisführung je nach nationaler Gesetzeslage zu gewährleisten.

Entscheidung Nr. 3: Sensortypen, Shutter Techniken, Bildraten
In diesem Schritt geht es um die Wahl eines passenden Sensors - CCD oder CMOS - und um die Wahl der Verschlusstechnik - Global oder Rolling Shutter. Die nächste Überlegung gilt der Bildrate, also der Anzahl der Bilder, die eine Kamera pro Sekunde liefern muss, um ihre Aufgabe lückenlos zu erfüllen.

Exkurs: CCD oder CMOS?
Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden Sensortechnologien liegt in ihrem technischen Aufbau.
CMOS-Sensoren integrieren die Elektronik, um das Licht (oder genauer: die Photonen) in elektronische Signale (also Elektronen) umzuwandeln, direkt auf der Sensorfläche. Das macht diese Sensoren besonders schnell, da sie die Bilddaten schneller auslesen. Der Bildausschnitt lässt sich flexibel auswählen. CMOS-Sensoren kommen besonders häufig im Kamera-Massenmarkt zum Einsatz, so zum Beispiel in Spiegelreflexkameras.
CCD-Sensoren nutzen die gesamte Sensorfläche, um Licht aufzunehmen, ohne dass die Elektronik darauf Platz in Anspruch nimmt. Das lässt auf der Oberfläche mehr Raum für Pixel, was wiederum bedeutet, dass mehr Licht aufgenommen werden kann. Dieser Typ von Sensoren ist demzufolge ausgesprochen lichtempfindlich – ein großer Vorteil in Anwendungen mit schlechten Lichtverhältnissen, wie zum Beispiel in der Astronomie. CCD-Sensoren liefern ausgezeichnete Bildqualität in langsameren Anwendungen, da sie aufgrund ihrer Architektur und der Art und Weise, wie sie Bilddaten transportieren und verarbeiten, im Hinblick auf Geschwindigkeit zunehmend an ihre Grenzen stoßen.
Im Laufe der vergangenen Jahre hat die CMOS-Technologie immense Fortschritte gemacht, sodass sie mittlerweile für nahezu alle Anwendungen infrage kommt. CMOS-Sensoren bieten
ein starkes Preis-Leistungs-Verhältnis
hohe Bildraten
hohe Auflösung
niedrigen Stromverbrauch
hohe Quanteneffizienz
Mit diesen Eigenschaften haben sie mittlerweile auch in traditionellen CCD-Anwendungen erfolgreich Fuß gefasst. Einer der größten Vorteile moderner CMO-Sensoren ist ihre ausgezeichnete Bildqualität auch bei hohen Bildraten.

Verschlusstechniken: Global oder Rolling Shutter
Hier muss eine einfache, aber ausgesprochen wichtige Anforderung erfüllt sein: Die Verschlusstechnik muss zur Anwendung passen. Der Verschluss schützt den Sensor in der Kamera vor einfallendem Licht. Er öffnet exakt zum Zeitpunkt der Belichtung. Die gewählte Belichtungszeit sorgt dafür, dass genau die richtige „Dosis“ Licht eindringen kann. Sie steuert, wie lange genau der Verschluss dafür geöffnet bleiben muss. Der Unterschied zwischen einem Global Shutter und einem Rolling Shutter liegt in der Art und Weise, wie sie diese Belichtung verarbeiten.

Exkurs: Wie Global und Rolling Shutter arbeiten
Bildrate
Der Begriff wird synonym verwendet mit „Bildwiederholrate”, „Bild pro Sekunde”, bzw. „frames per second (fps)“ oder „Zeilenrate” bei Zeilenkamera-Anwendungen. Die Bildrate beschreibt die Anzahl der Bilder, die der Sensor pro Sekunde aufnehmen und verarbeiten kann.

Je höher die Bildrate, desto schneller ist der Sensor => je schneller der Sensor, desto mehr Bilder pro Sekunde => je mehr Bilder pro Sekunde, desto höher das Datenvolumen.

Bei Flächenkameras können diese Datenmengen je nach Schnittstelle und je nachdem ob eine niedrige Bildrate von 10 fps oder eine hohe (bzw. schnelle) Bildrate von 340 fps verwendet wird, stark variieren. Welche Bildrate möglich oder notwendig ist, hängt davon ab, was die Kameras im betreffenden Bildverarbeitungssystem abbilden müssen.

Entscheidung Nr. 4: Auflösung, Sensor und Pixel
Auflösung
In den Spezifikationen Ihrer Kamera lesen Sie “2048 x 1088”. Was bedeutet das? Diese Angabe beschreibt die Anzahl der Pixel pro Zeile, in diesem Fall 2048 Pixel in den horizontalen und 1088 Pixel in den vertikalen Zeilen. Multipliziert ergibt das eine Auflösung von 2.228.224 Pixel oder 2,2 Megapixel (Millionen Pixel, kurz “MP”).Um herauszufinden, welche Auflösung Sie für Ihre Anwendung benötigen, hilft eine einfache Rechnung: Auflösung = (Objektgröße) / (Größe des zu prüfenden Details)

Exkurs: Wie bestimmt man die nötige Auflösung?
Nehmen wir an, Sie möchten eine präzise Detailaufnahme der Augenfarbe einer etwa 2 m großen Person in einer bestimmten Entfernung machen:
Auflösung = Körpergröße/Augen-Detail = 2m/1mm = 2,000 pxl in x and y = 4mp
Um das 1 mm große Detail präzise abzubilden, benötigen Sie eine Auflösung von mindestens 4 MP.
Sensor und Pixelgröße
Fakt #1:
Große Sensor- und Pixelflächen können mehr Licht aufnehmen. Das Licht ist für den Sensor das Signal, das er in Bilddaten umwandelt. So weit, so einfach. Jetzt wird’s spannend: Je größer die Sensoroberfläche ist, desto besser ist das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR – Signal-to-Noise-Ratio), insbesondere für Pixel mit einer Größe von 3,5 µm oder mehr. Ein höheres SNR bedeutet gleichzeitig bessere Bildqualität. Ein SNR von 42 dB gilt als solides Ergebnis.
Fakt #2:
Ein großer Sensor bietet mehr Platz für Pixel, was gleichzeitig eine höhere Auflösung bedeutet. Der echte Vorteil dabei ist, dass die einzelnen Pixel immer noch groß genug sind für ein gutes SNR – im Gegensatz zu kleineren Sensoren, bei denen sich die kleinere Oberfläche auch auf kleinere Pixel beschränken muss.
Fakt #3:
Selbst große Sensoren mit einer hohen Pixelanzahl bringen nicht viel ohne das passende Objektiv. Sie können ihr volles Potenzial nur ausschöpfen, wenn auch das Objektiv, mit dem sie kombiniert werden, diese hohe Auflösung auch tatsächlich auflösen kann.
Fakt #4:
Große Sensoren sind immer auch kostspieliger, weil mehr Fläche gleichzeitig auch mehr Silizium enthält.
Entscheidung Nr. 5: Schnittstellen und Gehäusegrößen
Schnittstelle
Die Schnittstelle ist sozusagen das Bindeglied zwischen Kamera und PC, das die Bilddaten von der Hardware (dem Kamerasensor) zur Software (den Bildverarbeitungskomponenten) überträgt. Die beste Schnittstelle für Ihre Anwendung zu wählen bedeutet, die optimale Balance zwischen Leistung, Kosten und Zuverlässigkeit zu finden, indem man eine Reihe von Faktoren gegeneinander abwägt.

Exkurs: Schnittstellentechnologien und -standards
GigE Vision, USB3 Vision und Camera Link sind moderne, weithin gebräuchliche Technologiestandards, welche die Kompatibilität der Kameraschnittstelle mit standardkonformen Komponenten und Zubehör ermöglichen. Jede dieser Technologien erfüllt spezifische Anforderungen unter anderem hinsichtlich Bandbreite, Multikamera-Konfigurationen oder Kabellängen.
FireWire und USB 2.0 sind ältere Technologien, die sich aufgrund ihrer technischen Beschränkungen nicht mehr uneingeschränkt für den Einsatz in modernen Bildverarbeitungssystemen empfehlen.


Sind Sie unsicher, welche Schnittstellen-Technologie Ihre Anforderungen am besten erfüllt?
Lassen Sie sich von unserem Interface Advisor bei Ihrer Wahl unterstützen.
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Gehäuse
Unmittelbar verbunden mit der Wahl der Schnittstelle ist auch die Größe des Kameragehäuses. Sie spielt eine Rolle, wenn es um die Integration der Kamera in das Bildverarbeitungssystem geht. In Anwendungen, in denen mehrere Kameras nebeneinander angeordnet sind, um die gesamte Breite einer Materialbahn erfassen zu können (sogenannte Multikamera-Setups), zählt jeder Millimeter.

Die Modellpalette von Basler Kameras reicht von kleinen Gehäusegrößen von 29 mm x 29 mm bis hin zu den längeren Abmessungen bei Kameras mit sehr großen (Zeilenkamera-) Sensoren wie die der Basler racer Serie.

Entscheidung Nr. 6: Nützliche Kamerafeatures
Kameras sind vielfach schon werkseitig vorbereitet, ihre Anwender bei verschiedenen Aufgaben bestmöglich zu unterstützen. So sind alle Basler Kameras werkseitig mit einem Kern hilfreicher Features ausgestattet, die helfen die Bildqualität zu verbessern, Bilddaten effektiver zu analysieren und Prozesse mit höchster Präzision zu steuern. Unsere Features Check List bietet einen umfassenden Überblick über sämtliche Features aller Basler Kameramodelle.
Wenn Sie ein Bildverarbeitungssystem konzipieren, kommen Sie vermutlich mit diesen drei Features in Berührung:
AOI (Area of Interest)
Mithilfe des AOI-Features können Sie individuelle Bildausschnitte innerhalb einer Aufnahme, oder sogar mehrere Ausschnitte gleichzeitig, auswählen. Der Vorteil liegt darin, dass so nur die Ausschnitte, die wirklich für die Auswertung eines Bildes relevant sind, verarbeitet werden. Das beschleunigt das Auslesen der Bilddaten.
Autofeatures
Basler Kameras verfügen über eine Reihe sogenannter Autofeatures wie zum Beispiel automatische Belichtungsanpassung oder automatischer Gain. Indem sich die Belichtungszeit und die Gain-Parameter automatisch den sich ändernden Umgebungsbedingungen anpassen, bleiben die Aufnahmen dank der Autofeatures konstant hell.
Sequencer
Den Sequencer nutzt man, um bestimmte Bildabfolgen auslesen zu können. Sie können damit zum Beispiel verschiedene AOIs programmieren, die mithilfe des Sequencers automatisch Sequenz für Sequenz ausgelesen werden.
Wie starte ich? Wie geht es jetzt weiter?
Unsere Tools helfen Ihnen, die richtigen Komponenten für Ihr Bildverarbeitungssystem oder Ihre Anwendung zu finden. Ob Sie bestimmte Komponenten-Spezifikationen oder ein komplettes System für Ihre Anwendung suchen, unsere Tools unterstützen Sie dabei.