Für den richtigen Durchblick: So finden Sie das passende Objektiv für Ihr Vision System
Ein scharfes Bild erfordert mehr als nur eine gute Kamera – erst das passende Objektiv sorgt für optimale Bildqualität. Objektive unterscheiden sich nicht nur in Auflösung, Brennweite und Größe, sondern auch in ihrer Bauart. Welches Objektiv sich wann eignet, zeigen wir Ihnen im folgenden Artikel.
Welche Objektivtypen gibt es – und worauf kommt es bei der Auswahl an?
Die Wahl des passenden Objektivs ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit eines Bildverarbeitungssystems. Damit Optik und Sensor optimal zusammenarbeiten, müssen mehrere technische Faktoren berücksichtigt werden – insbesondere Sensorgröße, Auflösung, Brennweite und Blendenwert.
Zunächst ein kurzer Überblick über die wichtigsten Objektivtypen:
Wir sprechen in der Regel von entozentrischen oder telezentrischen Objektiven, sowie von Weitwinkel- und Fisheye-Objektiven. Außerdem gibt es noch spezielle Objektive für das nahe Infrarot.
Wir konzentrieren uns im Folgenden auf entozentrische Objektive, wie sie in in einem Großteil von Machine Vision Anwendungen verwendet werden. Sie erzeugen eine perspektivische Abbildung – ähnlich dem menschlichen Auge: Entfernte Objekte erscheinen kleiner, nahe größer. Das menschliche Auge ist selbst ein Beispiel für eine entozentrische Optik.
Für die Auswahl eines passenden Objektivs sind folgende technische Faktoren entscheidend:
Sensorgröße und Bildkreisdurchmesser
Auflösung und Pixelgröße
Brennweite
Blendenöffnung und Lichtverhältnisse

1. Sensorgröße und Bildkreis
Die Sensorgröße ist ein zentraler Faktor bei der Objektivwahl. Hochauflösende Flächen- und Zeilenkameras besitzen in der Regel größere Sensoren als Kameras mit niedrigerer Auflösung. Ihre Abmessungen sind nicht genormt, sondern ergeben sich aus Auflösung und Pixelgröße – theoretisch ist fast jede Größe möglich, abhängig vom Budget. Sensorgrößen werden in Zoll angegeben. Dabei entspricht 1 Zoll nicht 25,4 mm, sondern etwa 16 mm – ein historisch bedingter, branchenüblicher Wert.


1.1 Mount
Der Anschluss der Kamera, an dem das Objektiv angebracht wird, entspricht einer genormten Größe und wird in der Regel mit dem englischen Begriff „Mount“ bezeichnet.
Ein C-Mount, die am weitesten verbreitete Mount-Art bei Machine Vision Kameras, ist sinnvoll bis zu einer Sensordiagonale von etwa 20 mm – das entspricht 1,5 Zoll. Danach verwendet man in der Regel ein F-Mount oder F-Bajonett, allerdings kommt dieses Format bei Industrieanwendungen eher selten vor. Geläufiger sind dafür CS- und S-Mounts, die bei Kameras mit kleineren Sensoren Verwendung finden. S-Mount-Objektive werden bei einer Sensorgröße von 1/2″, 1/3″ oder kleiner verwendet. Um ein C-Mount-Objektiv an eine CS-Mount-Kamera anschließen zu können, benötigen Sie einen 5 mm Adapterring. Umgekehrt funktioniert das ganze allerdings nicht. Sie können ein CS-Mount-Objektiv nicht an eine C-Mount-Kamera anschrauben.

1.2 Bildkreisdurchmesser
Der Mount eines Objektivs beziehungsweise die Mount-Größe lässt nur bedingt Rückschlüsse auf den Bildkreis zu – also die Sensorfläche, die gleichmäßig und ohne Randabschattung (Vignettierung) belichtet wird.
Der Bildkreisdurchmesser wird wie die Sensorgröße in Zoll angegeben. Ein 1/3″-C-Mount-Objektiv passt ideal zu einer Kamera mit 1/3″-Sensor – der Bildkreis wird optimal ausgenutzt. Bei einem größeren Sensor (z. B. 1/2″) würde dasselbe Objektiv zu Vignettierung führen.
Wird hingegen ein 2/3″-Objektiv auf einen kleineren 1/3″-Sensor verwendet, entsteht zwar keine Vignettierung und die Bildschärfe bleibt bis zum Rand hoch – doch ein Großteil des Bildkreises bleibt ungenutzt. Das ist ineffizient, da größere Objektive teurer sind. Für kleinere Sensoren ist daher ein kleineres Objektiv meist kosteneffizienter. Entscheidend ist: Der Bildkreisdurchmesser muss der Sensorgröße entsprechen oder größer sein.
2. Auflösung und Pixelgröße
Ein hochauflösendes Vision System benötigt nicht nur einen Sensor mit vielen Megapixeln, sondern auch ein Objektiv, das diese Auflösung tatsächlich abbilden kann. Die Auflösung eines Objektivs bestimmt, ob feine Details sichtbar bleiben – oder verloren gehen. In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, warum die Auflösung und die Pixelgröße zusammen gedacht werden müssen und wie Sie die Leistungsfähigkeit eines Objektivs bewerten können.

Auflösung und Linienpaare pro Millimeter
Die Auflösung eines Objektivs wird in Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) angegeben. Dieser Wert beschreibt, wie viele feine Linien auf einem Millimeter noch klar voneinander getrennt dargestellt werden können. Je höher dieser Wert, desto schärfer ist das abgebildete Detail. Nur wenn die Objektivauflösung hoch genug ist, kann ein Sensor sein volles Potenzial ausschöpfen.

MTF-Kurven: Schärfe vom Zentrum bis zum Rand
Mit der MTF-Kurve (Modulationstransferfunktion) lässt sich das Auflösungsvermögen eines Objektivs über das gesamte Bildfeld hinweg darstellen – von der Bildmitte bis zum Rand. Die Kurve basiert auf einem Testchart mit schwarz-weißen Linien, deren Abstand immer kleiner wird. Hersteller geben MTF-Kurven oft auf Anfrage oder in Datenblättern an und sie helfen dabei, die tatsächliche Leistung eines Objektivs objektiv zu bewerten.

Pixelgröße und Objektivwahl in der Praxis
Die Auflösung des Objektivs muss zur Pixelgröße des Sensors passen – nur dann wird jedes Pixel auch scharf abgebildet. Bei einem 5-Megapixel-Sensor beispielsweise benötigen Sie ein Objektiv, das diese 5 MP auch tatsächlich auflösen kann. Manche Objektive geben die unterstützte Sensorauflösung direkt in Megapixeln an – das vereinfacht die Auswahl, ersetzt aber nicht die Prüfung anhand technischer Daten wie lp/mm oder MTF-Kurven. Nur wenn Sensorauflösung und Objektivleistung zusammenpassen, lässt sich das volle Potenzial eines Bildverarbeitungssystems ausschöpfen.
Exkurs: Megapixel
Viele Hersteller von Consumer Kameras oder Smartphones werben mit der besonders hohen Megapixel-Anzahl ihrer Geräte. Dem Verbraucher soll suggeriert werden, dass mehr Megapixel gleichzeitig mehr Auflösung bedeuten und somit das beste Bild entsteht. Doch die höchste Megapixel-Anzahl nützt Ihnen nichts, wenn Ihr Objektiv nicht darauf abgestimmt ist. Da gute Optiken teuer sind, sparen viele Hersteller gerade hier an den Kosten. Nehmen wir als Beispiel ein Smartphone, dessen Kamera eine Auflösung von 20 MP besitzen soll. Wenn die Linse dieses Smartphones bereits ein unscharfes Bild liefert, wird ein Sensor mit einer so hohen Pixelanzahl diese Unschärfe nur vergrößern.
Eine Kompaktkamera mit 5 MP Auflösung und einem hochwertigen Objektiv kann dagegen deutlich schärfere Bilder liefern – trotz der vermeintlich schlechteren Auflösung.
In der industriellen Bildverarbeitung werden in der Regel Sensoren mit Auflösungen zwischen VGA (0,3 MP) und 5 MP angeboten. Höhere Auflösungen wären hier – zumindest bei C-Mount-Kameras – wenig sinnvoll, da die einzelnen Pixel viel zu klein sind und das Rauschen viel zu hoch wäre, um anspruchsvolle Mess- und Inspektionsaufgaben ausführen zu können.
3. Zusammenspiel Brennweite & Sensorgröße
Als Brennweite bezeichnen wir den Abstand zwischen dem optischen Mittelpunkt eines Objektivs und dem Brennpunkt. Im Brennpunkt schneiden sich alle Lichtstrahlen der parallel einfallenden Lichtstrahlen. Die Brennweite f eines Objektivs ist somit abhängig von der Brechkraft der Linsen und wird in Millimetern angegeben.

Brennweite und Bildwirkung
Je größer die Brennweite, desto größere Tele-Eigenschaften hat das Objektiv. Die riesigen Objektive, die wir vielleicht von Sportfotografen oder Paparazzi kennen, haben also deutlich größere Brennweiten, als die Objektive an Consumer-Kameras. Weitwinkel- und Fisheye-Objektive haben dementsprechend geringere Brennweiten.
Die Brennweite wird durch die Sensorbreite, die Objektbreite und den Arbeitsabstand bestimmt. Die meisten Objektivanbieter bieten auf ihren Webseiten Rechenprogramme an, mit denen Sie die Brennweite berechnen können.
Beispielbilder für verschiedene Brennweiten
Der Bildvergleich zeigt, wie sich mit zunehmender Brennweite der Bildausschnitt verkleinert und der Zoom-Effekt verstärkt – entscheidend für die Wahl der richtigen Optik. Dabei muss die Brennweite immer zur Sensorgröße und zum konkreten Anwendungsaufbau passen.



4. Blende & Lichtverhältnisse
Die Wahl der Blendenöffnung hat direkten Einfluss auf die Bildqualität und die Helligkeit. Die Blendenzahl (engl. F-number) ist das Verhältnis von Brennweite zu Durchmesser der Blendenöffnung und gibt an, wie weit die Blende geöffnet ist.

Blendenzahl und Bildqualität
Eine hohe Blendenzahl bedeutet eine kleinere Blendenöffnung – es fällt weniger Licht auf den Sensor. Eine weit geöffnete Blende ist bei schlechten Lichtverhältnissen von Vorteil, da mehr Licht durchgelassen wird.
Kleinere Blendenöffnungen erhöhen zwar die Schärfentiefe und reduzieren Abbildungsfehler wie Vignettierung, können aber zu Beugungsunschärfe führen. Diese entsteht durch Lichtbeugung an der Blendenkante und mindert die Bildqualität.
Jedes Objektiv hat daher eine optimale Blendenzahl – als Kompromiss zwischen maximaler Schärfentiefe und minimaler Beugung.
Fazit: Wählen Sie die Blendenöffnung so, dass sie zur Beleuchtungssituation Ihrer Anwendung passt – weder zu weit noch zu stark abgeblendet.
Checkliste zur Objektivwahl
Bevor Sie sich für ein Objektiv entscheiden, prüfen Sie die folgenden Punkte:
Objektivanschluss: Ist der Mount des Objektivs (z. B. C-Mount) kompatibel mit Ihrer Kamera?
Auflösung: Entspricht die Objektivauflösung der Sensorauflösung, sodass alle Details scharf abgebildet werden?
Brennweite: Passt die Brennweite zur Sensorgröße und zum gewünschten Bildausschnitt Ihrer Anwendung?
Bildkreis: Deckt der Bildkreisdurchmesser den gesamten Sensor ab – ohne Vignettierung?
Blende: Ist die Lichtstärke (Blendenöffnung) für Ihre Umgebungshelligkeit ausreichend?
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